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Tempranillo

Die Tempranillo, Spaniens önologisches Kronjuwel, zeigt im Kontext des biodynamischen Weinbaus eine völlig neue Facette ihrer komplexen Persönlichkeit. Diese traditionsreiche Rebsorte, deren Name sich von „temprano“ (früh) ableitet und auf ihre relativ frühe Reife hinweist, offenbart unter minimalistischer Vinifikation eine bemerkenswerte Präzision.

Artadi in Rioja Alavesa hat unter der Führung von Juan Carlos López de Lacalle die Interpretation der Tempranillo revolutioniert. Seine radikale Abkehr vom traditionellen Rioja-System zugunsten eines burgundischen, lagenorientierten Ansatzes hat neue Maßstäbe gesetzt. Die biodynamisch bewirtschafteten Einzellagen zeigen eine nie dagewesene Transparenz – die Weine sind präzise Übersetzer ihrer Herkunft, mit einer fast kristallinen Klarheit, die die unterschiedlichen Kalkstein- und Lehmböden deutlich hervortreten lässt.

Bei Felix Callejo in Ribera del Duero entstehen Tempranillos von bemerkenswerter Eleganz. Auf den kargen, kalkhaltigen Hochplateaus in über 900 Metern Höhe entwickelt die Rebsorte eine faszinierende Kombination aus Kraft und Finesse. Die biodynamische Bewirtschaftung und der Verzicht auf überreife Trauben führen zu Weinen von fast burgundischer Präzision – komplex und vielschichtig, aber nie überladen.

Die Tempranillo Interpretation von Fernando Remirez de Ganuza in Samaniego, Rioja Alavesa, steht für eine akribische, fast obsessive Herangehensweise an die Qualität. Seine revolutionäre Methode der Traubenselektion, die er in den 1990er Jahren einführte, spaltet dabei die oberen, sonnenexponierten und reiferen Teile der Traube (las espaldas) von den unteren, weniger reifen Partien (las puntas). Nur die oberen Schulterpartien der Trauben, die etwa 2/3 des Leseguts ausmachen, finden ihren Weg in die Gran Reserva und Reserva Weine. Diese radikale Selektionsmethode, kombiniert mit dem Einsatz besonderer Pressmethoden – wie einer speziell entwickelten horizontalen Presse für die weißen Trauben – führt zu Weinen von außergewöhnlicher Präzision. Der Ausbau erfolgt ausschließlich in neuer französischer Eiche, doch die Qualität des Leseguts und die perfekte Reife der verwendeten Traubenpartien sorgt dafür, dass das Holz nie dominiert. Die resultierenden Tempranillos sind von einer fast burgundischen Textur – seidig, präzise, mit einer beeindruckenden Kombination aus Kraft und Finesse. Sie zeigen das volle Potenzial der Tempranillo in den kalksteinhaltigen Böden der Rioja Alavesa.

Die Tempranillo selbst ist dabei eine Rebsorte von erstaunlicher Anpassungsfähigkeit. Ihre mittlere Beerengröße und kompakten Trauben machen sie anfällig für Botrytis, was besonders im biologischen Weinbau höchste Aufmerksamkeit erfordert. Doch gerade diese Sensibilität macht sie zu einem perfekten Seismographen für Terroir und Winzerhandschrift. In ihrer besten Form vereint sie die Kraft und Würze ihrer spanischen Heimat mit einer fast burgundischen Eleganz – dunkle Früchte, Tabak und Leder treffen auf florale Noten und eine feine mineralische Ader.

Diese neue Generation von Tempranillo-Weinen beweist eindrucksvoll, dass Spaniens Paraderebsorte weit mehr kann als nur kräftige, vom Holz geprägte Weine zu erzeugen. In den Händen dieser naturnahen Winzer entstehen Interpretationen von bestechender Authentizität – Weine, die sowohl ihre Herkunft als auch das neue Selbstverständnis des spanischen Weinbaus widerspiegeln.