Die Syrah, oft als die aristokratischste unter den roten Rebsorten bezeichnet, offenbart unter biodynamischer Bewirtschaftung eine faszinierende neue Facette ihrer komplexen Persönlichkeit. Diese ursprünglich aus dem Rhônetal stammende Varietät – deren genetische Wurzeln übrigens bis ins antike Persien zurückreichen – zeigt eine bemerkenswerte Sensibilität für den Boden, auf dem sie wächst.
Maison Stephan in Côte-Rôtie demonstriert eindrucksvoll, wie präzise und elegant Syrah sein kann. Jean-Michel Stephan, einer der Pioniere des naturnahen Weinbaus in der Region, vinifiziert seine Weine mit bemerkenswerter Leichtigkeit. Die Trauben werden als Ganztrauben vergoren, die Maischegärung ist sanft, der Ausbau erfolgt zurückhaltend. Das Ergebnis sind Weine von fast burgundischer Finesse – transparent, vielschichtig, mit jener charakteristischen weißen Pfefferwürze, die nur perfekt gereifte Syrah entwickelt.
Im Weingut Du Coulet beweist Matthieu Barret in Cornas, dass auch kraftvolle Terroirs unter biodynamischer Bewirtschaftung zu erstaunlicher Präzision fähig sind. Seine Syrahs verbinden die klassische Kraft der Appellation mit einer fast vibrienden Energie. Der Verzicht auf Extraktion und neue Eiche lässt die granitischen Böden klar hervortreten – wild und elegant zugleich, mit einer bemerkenswerten Balance zwischen Kraft und Finesse.
Bei Chêne Bleu, hoch oben am Mont Ventoux auf über 500 Metern, zeigt die Syrah eine völlig andere Interpretation. Nicole Rolet kultiviert hier biodynamisch auf kalksteinreichen Böden, die zusammen mit der Höhenlage für eine bemerkenswerte Frische sorgen. Die späte Reife führt zu einem komplexen Aromenprofil, das von dunklen Beeren über Veilchen bis hin zu Olive und Rosmarin reicht. Die Weine vereinen mediterrane Würze mit einer fast alpinen Präzision.
Die neue Generation dieser Syrah-Weine beweist, dass die Rebsorte weit mehr kann als nur kraftvolle, alkoholreiche Weine zu erzeugen. In den Händen dieser naturnahen Winzer entstehen Interpretationen von bestechender Präzision – Weine, die sowohl Kraft als auch Finesse besitzen, die ihre Herkunft klar widerspiegeln und dabei eine neue Definition von Eleganz schaffen.
Syrah ist in ihrer DNS-Struktur eine der faszinierendsten Rebsorten überhaupt. Als natürliche Kreuzung zwischen der fast ausgestorbenen Dureza aus dem Ardèche und der Mondeuse Blanche aus Savoyen entstanden, vereint sie die Robustheit der einen mit der aromatischen Komplexität der anderen Elternsorte. Ihre charakteristische Neigung zur Entwicklung von Rotundon – dem Molekül, das für die typische Pfefferwürze verantwortlich ist – macht sie einzigartig unter den großen Rotweinsorten. Dabei zeigt sie eine bemerkenswerte Sensibilität für unterschiedliche Terroirs: Auf Granit, wie in Cornas oder Hermitage, entwickelt sie eine fast rauchige Mineralität und wilde Würze, auf den Kalksteinböden der höheren Lagen hingegen eine subtilere, floral-würzige Ausdrucksform. Die oft zitierte Anfälligkeit für Reduktion während des Ausbaus erweist sich in den Händen minimalistisch arbeitender Winzer nicht als Nachteil, sondern als Chance – sie verleiht den Weinen eine zusätzliche Dimension der Komplexität, die sich mit der Zeit in faszinierende Aromen von Wildleder, Olive und geräuchertem Fleisch entwickelt.
Eine unbekannte Verwandte: Die Serine, die als autochthoner Vorfahre oder zumindest als genetisch eigenständiger Verwandter der modernen Syrah gilt, ist ein faszinierendes Beispiel für die Bedeutung alter Rebsorten-Populationen. Besonders in Côte-Rôtie und Hermitage finden sich noch vereinzelt uralte Serine-Stöcke, die sich durch ihren lockerbeerigen Wuchs und die länglichen, ovalen Beeren von der heute verbreiteten, selektionierten Syrah unterscheiden.