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Große Gewächse – aktuelle Bestandsaufnahme 2024

    GG franzi stegemann

    Während die deutschen Winzer sich auf die zahlreichen Verkostungen ihrer 2023er Großen Gewächse vorbereiten – jenes alljährliche Ritual, bei dem Hunderte von Weinkritikern sich durch jugendlich-herbe Tankproben kämpfen – lohnt sich ein Blick auf jene Weine, die bereits die Gunst der Zeit genießen durften.

    Die Klassifikation “Großes Gewächs” markiert seit 2002 die Spitze der deutschen Weinpyramide. Entstanden als Antwort auf Burgunds Grand Crus, etablierte sich diese Kategorie erstaunlich schnell als verlässlicher Qualitätsindikator. Die strengen Regularien – maximal 50 hl/ha Ertrag, ausschließlich klassifizierte Spitzenlagen, selektive Handlese, ein Mindest-Mostgewicht von 89° Oechsle und zwingend trockener Ausbau – bilden dabei nur das technische Gerüst. Entscheidend ist die Interpretation durch die Winzer.

    Man könnte durchaus argumentieren, dass das ohnehin schon komplexe deutsche Weinklassifizierungssystem eine weitere Kategorie etwa so dringend brauchte wie einen weiteren Jahrhundertsommer. Dennoch hat sich die Großes-Gewächs-Klassifikation als überraschend präziser Wegweiser zu Deutschlands ambitioniertesten trockenen Weinen etabliert. Nach einer ausführlichen Verkostung aktueller Kollektionen einiger der ernsthaftesten Erzeuger des Landes finde ich mich – bisweilen durchaus überrascht – beeindruckt von ihrer Qualität.

    Die 2022er – Ein Jahrgang der Präzision

    Die Pressestimmen des letzten Jahrzehnts zeigen eindrucksvoll, welche Entwicklung der deutsche Wein genommen hat. Kühling-Gillots Riesling-Trio der GGs (Pettenthal, Hipping und Ölberg) demonstriert bemerkenswerte Konstanz, wobei der Pettenthal durch seine faszinierende Spannung zwischen reifer Steinfrucht und geradezu saliner Mineralität hervorsticht. Bei 12-13 Prozent Alkohol bewahren sie eine bewundernswerte Frische, ohne jene karge Kantigkeit aufzuweisen, die früher so manchen trockenen deutschen Wein plagte.

    Battenfeld-Spaniers 2022er Kirchenstück GG erweist sich als ebenso überzeugend, wenn auch in einer deutlich anderen Tonart. Hier finden wir mehr Zitrusöle und nassen Stein, mit einer Struktur, die eine lange Lebensdauer verspricht. Ihr Frauenberg GG bietet einen etwas unmittelbareren Genuss, ohne dabei weniger ernst gemeint zu sein.

    kuehling und battelfeld das traumduo des deutschen rieslings
    Das Traumpaar des deutschen Rieslings: Caroline Spanier-Gillot und H.O. Spanier

    Die Reifefrage

    Die Evolution dieser Weine bietet faszinierendes Studienmaterial. Peter Jakob Kühns 2018er Jungfer GG demonstriert eindrucksvoll, warum sich Geduld auszahlt. Die anfängliche Strenge ist komplexen Noten von getrockneten Kräutern und konservierter Zitrusfrucht gewichen, wobei die charakteristische Mineralität unverändert präsent bleibt. Die 2021er zeigen ähnliches Potenzial, wenn auch derzeit noch fest in jugendlicher Zurückhaltung gehüllt.

    Die Burgundische Verbindung

    Wer Beweise sucht, dass deutscher Spätburgunder ernsthafte Aufmerksamkeit verdient, wird bei Franz Kellers 2021 Kirchberg Großes Gewächs fündig. Auf die Gefahr hin, vinöse Häresie zu begehen: In einer Blindverkostung von Premier Cru Gevrey-Chambertin würde er sich keineswegs verstecken müssen. Die Integration von Frucht und Holz zeigt bewundernswerte Zurückhaltung, und zum aktuellen Preis lassen viele burgundische Pendants ihre Preisgestaltung recht optimistisch erscheinen.

    Regionale Unterschiede

    Ökonomierat Rebholz demonstriert weiterhin eindrucksvoll, warum die Pfalz unsere Aufmerksamkeit verdient. Ihr 2022er ‘Im Sonnenschein’ GG Riesling bietet lehrbuchhafte Präzision, während ihr Weißburgunder aus derselben Lage überzeugend belegt, dass Riesling nicht Deutschlands einziger großer weißer Hoffnungsträger ist. Beide zeigen jene charakteristische Zurückhaltung, die zur Visitenkarte dieses Hauses geworden ist.

    Die mancherorts zu unrecht übersehene Region Franken bietet einige angenehme Überraschungen. Zehnthof Luckerts 2021er Maustal Riesling GG beweist, dass Exzellenz sich nicht auf Deutschlands international bekanntere Regionen beschränkt. Hier findet sich eine Dichte, die von alten Reben und ernsthafter Weinbergsarbeit zeugt.

    Preis-Leistungs-Verhältnis

    Zu aktuellen Marktpreisen (ca. zwischen 35 und 95 Euro) bieten diese Weine ein bemerkenswertes Preis-Leistungs-Verhältnis im Vergleich zu weißem Burgund oder anderen Premium-Weißweinen ähnlichen Anspruchs. Die besten Beispiele – und davon gibt es in dieser Kollektion viele – bieten Komplexität, Alterungspotenzial und jene kostbarste aller Eigenschaften: eine klare Herkunftsprägung.

    Kaufempfehlungen

    Zum zeitnahen Genuss:

    Für den Keller:

    Clevere Wahl:

    Diese Weine demonstrieren, dass Deutschlands trockene Spitzenweine ihre Identität gefunden haben. Sie versuchen nicht länger, Stile anderer Regionen zu imitieren, sondern bieten stattdessen etwas unverwechselbar Eigenes: Präzision, Klarheit und unmissverständliche Herkunft. Die besten Beispiele sind nach jedem Maßstab Weltklasse.

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