Die Naturwinzer sind heute auf der Insel Sizilien gut etabliert. Doch lassen Sie uns einen kurzen Exkurs zu den Menschen machen, die dies ermöglicht haben.
Die Geschichte des Weins ist, wie vieles, was den Menschen betrifft, keine gerade Linie. Sie weist viele Wendungen und Abzweigungen auf, und jeder Weg ist auf seine Weise wertvoll. Sizilien ist da keine Ausnahme, oder man kann es dank seiner Lage im Mittelmeer sogar als Paradebeispiel dafür ansehen. Als Kreuzung der Kulturen, mit vielfältigen und reichen Ökosystemen, war die Insel schon immer ein Ort des Experimentierens.
Qualität zuerst
Im modernen sizilianischen Weinbau war es in der Tat Diego Planeta, der die Region aus einer (zu) langen Geschichte von Massenwein und Überproduktion herausführte. In der zweiten Hälfte der 70er Jahre begann er, sich für Qualitätswein einzusetzen und experimentierte auch mit internationalen Rebsorten wie Chardonnay, Merlot und Syrah. Das Motto war: Um sich überhaupt wieder bemerkbar zu machen, muss man sich mit den gleichen Waffen messen. Die Waffen waren hier die internationalen Rebsorten. Als er 1985 Präsident des IRVV (Regionales Institut für Rebe und Wein) wurde, waren die Winzer der Insel bereit, sich unter seiner Leitung für Einflüsse von außen zu öffnen. Sizilien begann seinen Weg die international anerkannte Qualitätsweinregion zu werden, die es heute ist.
Während Diego Planeta mit internationalen Rebsorten experimentierte, schauten sich andere genauer an, was die Insel sonst zu bieten hatte.
Pioniere des sizilianischen Naturweines
1980 gründete eine Gruppe von Freunden, Giambattista Cilia, Giusto Occhipinti und Cirino Strano, in Vittoria das Weingut COS. Sie reisten auch in die Toskana, ins Piemont und nach Frankreich, aber ihr Schwerpunkt lag auf den autochthonen Rebsorten ihres Landes, wie dem Frappato.
Mehr oder weniger zur gleichen Zeit übernahm eine andere führende Persönlichkeit des sizilianischen Weinbaus das Weingut der Familie: Marco de Bartoli. Er glaubte an die Wiederherstellung der Qualität von Marsala, aber sein Traum war zu groß, um in die engen Grenzen des Gesetzes und der Appellazione-Regeln zu passen. Sein “Ur-Marsala”, ein nicht angereicherter Wein durfte die Bezeichnung “Marsala” nicht auf der Flasche tragen. Sein Passito di Pantelleria, Bukkuram, war dagegen sofort ein großer Erfolg: traditionsbewusst, aber fruchtiger und weniger oxidiert.
Die Ätna-Chronik
Sobald die Saat der natürlichen Weinherstellung gelegt war, richteten einige Leute ihre Augen auf neue Territorien.
Benanti und sein Önologe Salvo Foti beginnen 1988 mit der Wiederentdeckung des Ätna und des Nerello Mascalese. Vor allem Salvo Foti war mehr als ein Önologe: Sein Großvater hatte Weinberge am Ätna, er fühlte dieses Erbe und ergänzte die Weinherstellung mit Liebe und Respekt für den Berg und seine Geschichte . Sein eigenes Projekt “I Vigneri” führt die Idee der Bewahrung der Weinberge von der Maestranza dei Vigneri (einer 1435 in Catania gegründeten Gruppe) zur heutigen Weinkultur.
Sobald der Weg berteten war, erklommen weitere Personen die Hänge des Berges.
Angezogen vom wachsenden Ruhm der Ätna-Weine, begannen Anfang 2000 einige “Ausländer” wie de Grazia aus den USA, Franchetti aus Rom und Frank Cornelissen aus Belgien mit ihren eigenen Projekten.
In jüngster Zeit hat ein weiterer “Ausländer” ein Weingut am Ätna gegründet: Massimo Lentsch.
Geboren in Bergamo, ist er einer von denen, die von der Insel “adoptiert” wurden. Massimo hat eindeutig ein Gespür für vulkanischen Boden. Er ist der Gründer der Tenuta di Castellaro auf dem Lipari-Archipel, wo er eine bemerkenswerte Arbeit mit Corinto und Malvasia delle Lipari, zwei autochthonen Rebsorten der Region, leistet. Das neue Projekt am Etna begann 2018 und bringt bereits einen großartigen Nerello Mascalese hervor.
Das Erbe
Arianna Occhipinti muss man nicht vorstellen. Sie nahm die Lektion ihres Onkels Giusto Occhipinti (COS) an und machte die Frappato-Traube zu einem Symbol für das Terroir von Vittoria. Sie ist wohl das deutlichste Beispiel dafür, wie sich die Dinge mit jeder Generation weiterentwickeln können.
Ihre “Einstiegslinie” SP68 Bianco und SP68 Rosso sind bezahlbarer Naturwein-Kult. Groß sind Ihre Einzellagenabfüllungen des Frappato.
Im Val di Mazara, in Camporeale, fanden wir das Weingut «Case Alte». Hier legt die neue Generation mehr Wert auf Nachhaltigkeit und biologischen Anbau, ohne den Dialog mit den älteren Generationen zu verweigern, die das Weingut gegründet haben. Ein virtuoser Kreislauf der Wechselwirkungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Das Weingut Vino Lauria liegt im Herzen Siziliens, 65km südwestlich von Palermo in Alcamo. Gegründet wurde es 1958 von Vito Laurias Großvater, musste jedoch 1993 wegen wirtschaftlichen Problemen schließen. Vito Lauria, tief mit seiner Heimat verbunden, entschied sich, das Weingut zu erneuern. Nach einem Studium der Weinbau und Önologie an der Universität Udine und einigen Arbeitsjahren in Norditalien, kehrte er 2005 nach Sizilien zurück.
Er arbeitete parallel in einer lokalen Kellerei und bereitete die Neueröffnung des Familienbetriebs vor. 2010 brachte er seinen ersten Wein auf den Markt. Vito setzt auf biologische Bewirtschaftung, wobei die Weine den Charakter und die Besonderheit seiner Heimat widerspiegeln. Die Weine von Vino Lauria kommen ohne Schönung und Filtration in die Flasche. Geschwefelt wird nur minimal.
Mit seinem leichten Stil repräsentiert er das neue Sizilien und zeigt, dass Filigranität und Frische auch für Nero d’Avola keine Fremdwörter sein müssen. Bestes Beispiel dafür ist der Zio Paolo Nero d’Avola.
Am Ende dieses sehr kurzen Überblicks über die gegenwärtige Situation des Naturweins in Sizilien kann ich mir nur den Optimismus von Peter Seller als Gärtner in Being There ausleihen:
“Solange die Wurzeln nicht abgeschnitten werden, ist alles gut. Und im Garten wird alles gut sein”.
— Geschrieben von Jonathan Gobbi & Mitya