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Lebendige Weine MagazinDomaine Huets neuer Jahrgang 2022

Domaine Huets neuer Jahrgang 2022

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    Eine Klasse für sich …

    Die Domaine Huet, gelegen in Vouvray an der Loire, gehört zu den bedeutendsten Weingütern Frankreichs. Gegründet wurde sie 1928, als Victor Huet und seine Frau Anna-Constance das Gebäude damals auf der Suche nach einer neuen Bleibe und einer neuen Arbeitsmöglichkeit entdeckten. Sie erwarben das Haus samt der Weinbergslage Le Haut-Lieu, die direkt am Haus liegt. Es war ihr Sohn Gaston, der das Weingut berühmte machte – zum Beispiel mit den Jahrgängen 1945 und 1947 aus eben diesem Weinberg. 1953 erwarb er zusätzlich den seit dem 8. Jahrhundert bestehenden Weinberg Clos du Bourg. 1957 kaufte er den Weinberg Le Mont dazu. That’s it.

    Es gibt diese drei Weinberge, die sich alle in Monopolbesitz befinden und ausschließlich mit Chenin Blanc bestockt sind. Nachdem Gastons Sohn Jean nicht am Winzerleben interessiert war, übernahm Noël Pinguet, der Schwiegersohn Gastons, 1976 die Leitung des Weinguts. Er führte das Weingut Richtung Biodynamie und erzeugte große Jahrgänge. Als Gaston 2002 starb, gab es vier Kinder, die sich über die Zukunft des Weinguts uneinig waren. Schließlich verkauften sie an die filipino-amerikanische Familie Hwang mit einer Minderheitsbeteiligung Noël Pinguets. Seit 2012, dem Jahr, in dem Pinguet ausgeschieden ist, führen Sarah Hwang, Außenbetriebsleiter Jean-Bernard Berthomé und Önologe Benjamin Joliveau – Sohn eines der besten Freunde Noëls, der quasi auf dem Weingut aufgewachsen ist – das Biodyvin-Weingut.

    huet pfluegen mit pferd
    Pflügen mit Pferd bei Huet

    2022: Ein Jahrgang der Fülle

    In Vouvray werden traditionell sechs Kategorien von Chenin Blancs erzeugt. Allerdings nur, wenn es der Jahrgang zulässt. Es sind schäumende Pétillants naturel (Pet Nats, trockene Weine (Sec), halbtrockene Weine (Demi-sec), restsüße Weine (Moelleux), Auslesen mit leichten Botrytisanteil (Première Trie) und Beerenauslesen (Cuvée Constance). Nachdem das Wetter in 2021 nur drei Secs zugelassen hat, wurde in 2022 fast die gesamte Brandbreite erzeugt. 

    Der Jahresverlauf startete mit einem Winter, der eigentlich keiner war. Es gab kaum Frost und Schnee, und im Februar wurde es im Vouvrillon, wie man die Landschaft rund um Vouvray nennt, so mild, dass die Pflanzen bereits den Frühling erwarteten und aus ihrem Winterschlaf erwachten. Alle Winzer an der Loire wissen ein Lied davon zu singen, wie gefährlich das ist; denn die Region hat in fast allen vergangenen Jahren unter Spätfrösten gelitten. Der Austrieb begann Ende März – und Vouvray blieb von Frösten verschont. Dafür wurde es schon am 9. Mai ungewöhnlich heiß, glücklicherweise nur kurz, sodass die Blütezeit recht normal verlief und am 14. Juni endete. Zu dieser Zeit war ich an der Loire, es war bis zu 40 °C heiß, und der Fluss führte an manchen Stellen kaum noch Wasser. Dabei hatte der Sommer noch gar nicht richtig begonnen. Drei weitere Hitzewellen folgten im Juli und August. Zum Glück wurzeln die oft alten Reben in dem für die Region typischen Tuffeau, einem porösen Kalkstein, der das Wasser aus dem Winter und Frühling so gut gespeichert hat, dass die Reben keinen Stress bekommen und ihr Wachstum auch nicht eingestellen. Die Trockenheit hatte jedoch einen positiven Effekt, dass es nämlich keinen Pilzdruck gab. So konnte am 8. September mit der Lese begonnen werden. Der Reifeverlauf war allerdings so heterogen, dass viele Lesedurchgänge nötig waren, weshalb das Team einen neuen Rekord aufstellte. Die 24 Erntehelfer arbeiteten sechs Wochen im Weinberg. Während des ersten Durchgangs wurden die Reben entblättert, sodass die Trauben ein Sonnenbad nehmen konnten, das sie für ihre späte Reife und die Oechslegrade benötigten. Da im Vorfeld nicht zu stark ausgedünnt worden war, führte die Menge an Trauben dazu, dass sich der Zucker gut verteilte und schließlich alle für Huet typischen Weine erzeugt werden konnten. 

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    Domaine Huet – Der Fasskeller

    Der Stil des Jahrgangs ist klassisch Huet – Chenin Blanc von Demi-Sec bis Moelleux

    Es war auf der Domaine Huet schon immer so, dass der Ausbau der Weine dem Verlauf des Jahrgangs folgte. »Es ist wichtig, dass die Weine pur, energetisch und ausgewogen bleiben und dass wir unsere Terroirs durch die Brille jeder für sich einzigartigen Wachstumsperiode sehen«, fasst es Sarah Hwang zusammen. Entsprechend hat sie sich zusammen mit dem Önologen Jean-Bernard Berthomé zum Ausbau aller Varianten entschieden. 

    Der Le Haut-Lieu von Huets ältester Lage mit einem rund vier Meter dicken braunen Ton- und Lehmboden (Aubuis) auf Tuffeau präsentiert sich in 2022 tänzerisch, sinnlich, seidig und dicht. Der Demi-Sec ist jetzt schon ein großer Verführer. Als Moelleux präsentiert er sich dichter, in der Variante Première Trie kommt eine perfekt ausgelesene saubere Botrytis hinzu. Auch dieser Wein wirkt jetzt schon offen und einladend. Ich habe ihn zu Pasta mit Vongole, etwas Chili und Kokosmilch serviert, was hervorragend harmonierte.

    Die Lage Clos du Bourg präsentiert sich als herausragend harmonisch, tief und Komplexität bietend, deren Weine etwas herber, rauchiger und würziger wirken. Auch hier möchte man selbst den Première Trie schon in großen Schlücken trinken. 

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    Die Lage Clos du Bourg

    Beim Le Mont zeigt sich durch alle Varianten hinweg die Typizität des von perruches (Ton und Feuerstein) bestimmten Weinbergs absolut klar und präzise. Die Weine haben eine hohe Energie und Dichte, präsentieren sich würzig und immer leicht rauchig, tabakig und erdig.

    Über die gesamte Bandbreite hinweg sind die Weine konstant finessenreich, elegant, charmant und voller Energie. Die reife Säure wird durch eine fantastische Mineralität ergänzt. Das ist so klassisch Vouvray, wie man es sich nur wünschen kann. Zudem sind sie – wenn man mal ins Burgund hinüberschaut und vergleich – beeindruckend günstig dafür, dass hier teils große und alterungswürdige Weine entstehen.

    huet weinberg mit tulpen
    Üppige Blütenpracht im Weinberg von Huet

    Ach ja, etwas sollte noch erwähnt werden: Huet hat mit dem 1993er Le Haut-Lieu Première Trie, der 30 Jahre nach der Lese veröffentlicht wurde, eine absolute Besonderheit veröffentlicht. Der 1993er war der letzte Wein von den teils noch wurzelechten Reben, die Legenden wie den 1945er und 1947er Jahrgang hervorgebracht haben. Ebenfalls tief, komplex und bildschön sind Le Haut-Lieu 2003 Moelleux und Première Trie – zwei zwanzig Jahre alte Late Releases.

    Text und Wein-Expertisen: Christoph Raffelt